Nr. 2 im Sommersemester 2001


heinz.default@hfg-karlsruhe.de

Anja Kleber

Ergänzungsfach an der HfG

Dieser Artikel richtet sich insbesondere an Heinz Default. Heinz studiert Informatik an der Universität Karlsruhe mit all ihren bebrillten Mordillo-T-Shirt-tragenden Studenten der technischen Studiengänge - und das schon im vierten Semester.

Er ist sich sicher, sich bald voller Stolz cand. inf. Heinz Default nennen zu dürfen und steht damit (damit dieser Artikel sich auch in der richtigen Rubrik befindet) vor der Qual der Wahl sich für ein Nebenfach entscheiden zu müssen. Da er sich standhaft weigert Karo-Hemden zu tragen, kommt Maschinenbau definitiv nicht in Frage- Ähnliches gilt für seine Unfähigkeit Krawatten zu binden, ohne sich die Finger mit einzuwickeln, weshalb auch BWL kurzfristig noch von der Liste möglicher Fächer gestrichen wird.

Ganz am Ende dieser Liste scheint sich jedoch ein Lichtblick aufzutun, der einem der sich schon fast an die Tristesse des Baus am Fasanengarten gewöhnt hat, unglaubliche Wege zu eröffnen scheint: "Multimediales Design" heißt das Zauberwort, hinter dem sich das Nebenfach in Kooperation mit der Hochschule für Gestaltung (HfG) verbirgt.

Die HfG bietet Studenten, deren Mappen den Ansprüchen des Zulassungskomitees genügen, vier Studiengänge:

Der erste steht vielleicht der Informatik am nächsten, da er sich mit dem Umgang und der Gestaltung neuer Medien befaßt. Es bietet sich daher für Informatiker an, bevorzugt Kurse aus diesem Bereich zu wählen. Auf der Webseite der HfG wird das Fach Medienkunst folgendermaßen beschrieben:

"Neben den traditionellen Medien wie Fotografie und Film kommen die neuen Mediengattungen Video, Computergrafik und die Animationstechniken sowie die 3-D-Simulation (Virtual Reality) hinzu. Die Medienkunst ist wie alle anderen freien Künste bestimmt von der Ästhetik des autonomen Kunstwerks; in Verbindung mit anderen Disziplinen kann sie jedoch in ein Dienstverhältnis treten. Zum Beispiel kann sie wesentlich beitragen zur Pädagogik (Hypermedia, CD-Rom). Eine Videoskulptur ist ein autonomes Kunstwerk wie jede andere Skulptur; die Erlernung technischer Fertigkeiten zu ihrer Herstellung sowie eine ästhetische Urteilskompetenz ist das Ziel der Ausbildung."

Es werden also hauptsächlich Vorlesungen/Seminare wie Videoschnitt, Animationsfilm, Internet-Design etc. angeboten. Als Student der Universität, hat man die Möglichkeit innerhalb eines Kooperationsvertrages mit der HfG, als sogenannter "Gaststudent" beliebige Kombinationen von Seminaren o.ä. zu besuchen, ohne sich irgendeiner Aufnahmeprüfung unterziehen zu müssen.

Um das Nebenfach an der Uni anerkannte zu, müssen allerdings gewisse Rahmenbedingungen erfüllt werden. Es müssen mindestens acht Semesterwochen-Stunden belegt werden, vier davon können in "Projekt"-Arbeit absolviert werden. Und diese acht SWS sollten sich möglichst sinnvoll in den Studienplan einfügen. "Sinnvoll" bedeutet hier z.B. in Verbindung mit dem Vertiefungsfach "Graphische Datenverarbeitung".

Heinz, ein freier Geist, freut sich die Voraussetzungen bis aufs i-Tüpfelchen zu erfüllen und beschließt deshalb sich das nächste Semester ganz und gar auf die HfG (dem Hörensagen nach der Platz des savoir vivre schlechthin) zu konzentrieren, den legendären HfG-Partys zu frönen und der TU-Karlsruhe einfach für ein Semester lang den Rücken zu kehren- einfach so zu tun, als ob er die Anmeldung fürs Informatik-Studium nie unterschrieben hätte. Doch damit wird Heinz einige Probleme haben- nennen wir es Anfangsschwierigkeiten, um den geneigten Lesen nicht vor den Kopf zu stoßen.

An der HfG beginnen "Vorlesungen" nicht unbedingt mit Semesterbeginn. Auch ist der Begriff Semesterbeginn allein eigentlich schon Blasphemie. Als ob sich Künstler in irgendwelche bürokratische zeitliche Rahmen binden ließen. Das bedeutet aber auch, sie enden nicht unbedingt mit Semesterende. Im Grunde genommen kann man schon sehr froh sein, wenn sie überhaupt stattfinden.

Wie man der Webseite der Abteilung Film entnehmen kann bessert sich der Distributionskanal für Informationen etwas, aber als Außenstehender braucht es für gewöhnlich eine Weile, bis man die wirklich wichtigen Stellen im HfG-Bau gefunden hat: Die, an denen die Zettel (meist handgeschrieben) hängen, auf denen steht, daß das Seminar das man gerade besuchen will, ausfällt.

HfG-Studenten haben i.a. einen persönlichen betreuenden Professor, der sie durch ihr ganzes Studium begleitet. Studenten und Dozenten haben ein sehr viel engeres Verhältnis, als das hier an der Uni üblich ist. Dadurch erfährt es an der HfG schon irgendwie jeder, daß etwas verschoben ist, nicht stattfindet, oder ersetzt wurde- im allgemeinen ohne daß irgendwelche lästigen Mailinglisten die Posteingänge überfüllen.

Korrolar: Man sollte schnellstmöglich ein kleines persönliches Netzwerk von Informationsträgern aufspannen, um zu vermeiden, einmal wöchentlich umsonst in die HfG zu fahren, um die "gecancelt"-Zettel zu lesen.

Obwohl gerade die HfG so stolz ist auf ihre besonderen Schwerpunkt auf neue Medien, ist der traditionelle Fresszettel an einem der 512 Schwarzen Bretter seltsamer Weise immer noch das Medium überhaupt.

Weitere Probleme können dadurch entstehen, daß über der Kooperation Informatik/HfG niemand informiert ist. Das heißt man darf sich nicht dadurch verunsichern lassen, daß die Sekretärin der HfG behauptet, man könnte sich erst fürs nächste Wintersemester "bewerben". Man braucht auch keinen gesteigerten Wert darauf zu legen an der HfG wirklich angemeldet zu sein- es interessiert wirklich keinen. Einzige Ausnahme: Wenn man in einem fortgeschrittenen Stadium vielleicht eine Kamera für ein Projekt ausleihen will, kann es sein, daß man sie nur gegen HfG-Studentenausweis bekommt.

Vorlesungen im Uni-Sinn gibt es nur begrenzt. Meistens werden Seminare oder Praktika angeboten, die dann eine Mischform aus Vorlesung und wahlweise Computer- oder Bastelkurs sind. Angst vor der künstlerischen Überlegenheit der HfG Studenten sind absolut fehl am Platz.

Im Allgemeinen sind die Kurse gut gemischt und meist fallen nur sehr wenige durch absolute Glanzleistungen auf. Und diese Ausnahmen sind in der darauffolgenden Woche mit hoher Wahrscheinlichkeit in dem selben Kurs nicht noch einmal zu finden.

Außer bei den Pflichtkursen ist eine generell sehr hohe Fluktuation zu bemerken. Künstlerische Wertvorstellungen scheinen nicht gerade durch Kontinuität oder zumindest nicht von "Absitzen" spröder Vorlesungen geprägt zu sein.

[Maler] Vielmehr verbringen HfG-Studenten den Löwenanteil ihres Studiums damit, an ihren persönlichen Projekten zu arbeiten, die letztlich ihr künstlerisches Können repräsentieren.

Ein Projekt ist für einen "Externen" zu Anfang etwas äußerst suspektes. Es gilt einen Professor oder Lehrbeauftragten finden, der ein Thema betreut, daß irgendwie aus dem Ärmel geschüttelt werden muß.

Alternativ kann man versuchen sich einem schon bestehendem Projekt anzuschließen. Das ist organisatorisch gesehen einfacher, aber wohl eher selten zu finden. Ein Lehrbeauftragter im Bereich Computertrick drückte sich ungefähr so aus: "Sobald HfG-Studenten sehen, daß am Ende eines Projektes ihr Name nicht als dickster im Abspann gedruckt erscheint, verlieren sie das Interesse und beginnen etwas Eigenes".

Es ist sinnvoller erst einmal ein, zwei Seminare zu besuchen, um Dozenten kennenzulernen, mit denen dann gemeinsam ein Thema für ein Projekt gefunden werden kann.

Heinz wird also viel Zeit damit verbringen, Kurse zu finden, die stattfinden und ein Projekt aufzutun, daß sowohl künstlerisch wertvoll ist betreut zu werden, als auch Informatik-like genug ist, um von der Prüfungskommission an der Fakultät für Informatik anerkannt zu werden.

Desweiteren wird er feststellen, daß er wesentlich mehr Zeit für organisatorische Dinge und vor allem für sein Projekt aufbringen wird, als ihm das ein Nebenfach "Mathematik" oder "BWL" je abverlangt hätte.

Dafür wird Heinz die Abwechslung genießen, endlich einmal wirklich andere Gesichter und Charaktere zu treffen, deren Art man an unserer technischen Universität meist vermisst. Und sich nach dem kleinen Ausflug in die Welt der Künstler wieder darauf freuen, daß Absprachen und Vorankündigungen eingehalten werden und daß die Welt eben einfach wieder in Ordnung ist.

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