Eulenspiegel Nr.2 im Sommersemester 96
Neue DPO:Alles nichts, oder ?
Olaf Titz
Revisionsdatum: Mai 1996
Die Neufassung der Diplomprüfungsordnung Informatik wurde vom zuständigen Referat der Landesregierung bereits zum dritten Mal abgelehnt. Nachdem uns jetzt ungefähr drei Semester lang versichert wurde, die Genehmigung sei nur eine Formsache und innerhalb weniger Wochen erledigt, zeigt sich an dem neuesten Schreiben aus Stuttgart, auf welchen tönernen Füßen solche Hoffnungen von Anfang an standen. Nahezu sämtliche Kernpunkte der Neuregelung und eine große Anzahl Details werden so nicht gebilligt.Dabei zeigt sich an einigen der angemahnten Punkte, daß man in Stuttgart offenbar keine Ahnung von Struktur und Aufgaben des Informatikstudiums hat (daß das Studium nicht mit einer großen, sondern mit vielen kleinen Prüfungen abgeschlossen wird, und welche Konsequenzen das für die Struktur einer Prüfungsordnung haben muß, wurde ganz offensichtlich nicht verstanden). Dabei hat Prof. D. Schmid, dem für dieses Engagement an dieser Stelle ausdrücklich Dank ausgesprochen sei, in mehreren ganztägigen Konferenzen leider erfolglos versucht, dem zuständigen Beamten den Sinn und Zweck unserer Regelungen zu erläutern.
Andere Punkte wiederum weisen überdeutlich darauf hin, daß man die Gelegenheit nutzt, gegenüber der Universität Schikanemaßnahmen zu ergreifen: so fordert Stuttgart eine harte Obergrenze für den Abschluß aller Prüfungen von acht Semestern! (auf deutsch: nach acht Semestern sämtliche Pflicht-, Vertiefungs- und Nebenfachprüfungen, sonst Ende des Studiums ohne Abschluß) In dieses Bild paßt auch, daß die Fakultät für Physik momentan ebenfalls mit einer seit über einem Jahr hängenden Neufassung der Prüfungsordnung, von der man eigentlich dachte, sie sei "durch", Probleme hat.
Die meisten der geforderten Änderungen sind absurd und praxisfremd und wurden daher auch vom Fakultätsrat, teilweise unter schallendem Gelächter, nahezu einhellig abgelehnt. Nur ein Detail: die bisher praktizierte Regelung, daß eine Prüfung des Hauptdiploms ins vierte Semester vorgezogen werden kann, soll nach dem Willen der Regierung ersatzlos gestrichen werden. Hieran zeigt sich die absolute Sinnlosigkeit dieses Vorgehens, handelt es sich doch um eine bereits erfolgreiche Maßnahme zur von der gleichen Regierung immer wieder geforderten Verkürzung der Studienzeiten.
Das weitere Vorgehen wird nötigerweise so aussehen, daß dem Ministerium erneut ein leicht korrigierter, aber im Kern unveränderter Entwurf vorgelegt wird. Dieser wird natürlich wieder abgelehnt werden, aber eine andere Möglichkeit bleibt der Fakultät momentan nicht.
Mit anderen Worten, wir sind vom Inkrafttreten der Neufassung noch genauso weit entfernt wie vor über einem Jahr. Entweder sind substantielle nderungen am Entwurf erforderlich, das bedeutet, daß die gesamte zweijährige Arbeit der KLS, des Fakultätsrats und der nicht näher bekannten nichtöffentlichen Professorengremien zum größten Teil wiederholt werden müßte. Oder es gelingt doch noch, das Ministerium vom Sinngehalt des derzeit vorliegenden Entwurfs zu überzeugen. Das allerdings benötigt nach allem, was bisher bekannt wurde, neben einem Haufen Arbeit und Nerven vor allem auch viel Zeit.
Diese Erkenntnis wurde auf dem letzten Fakultätsrat jetzt viel zu spät auch offiziell angenommen: Die Fakultät könne nicht garantieren, so die offizielle Sprachregelung, daß die Neuregelung noch im laufenden Semester in Kraft trete. Das ist immerhin schon um einiges realistischer als die beinahe schon jahrelange Hinhaltetaktik der Vergangenheit.
Der diplomatischen Verbrämung entkleidet, heißt das im Klartext: Niemand, der jetzt studiert, sollte sich Hoffnungen machen, eine wie auch immer geartete Neuregelung noch zu erleben. Warten oder gar Empfehlungen zum Warten sind grobfahrlässig und bedeuten im Zweifelsfall einen gravierenden finanziellen Verlust. Trotz der in den meisten Fällen deutlich schlechteren Noten sollte man stattdessen einen zügigen Abschluß des Studiums nach alter PO anstreben, das ist wenigstens mit geringerem Risiko behaftet.