Eulenspiegel Nr.2 im Sommersemester 96
Die Kunst der schönen Worte
oder wie Kompromisse zu Lasten Dritter geschlossen werdenRalf Uwe Pfau
Revisionsdatum: Mai 1996
Die Kunst der schönen Worte oder wie Kompromisse zu Lasten Dritter geschlossen werden. Es war abzusehen, daß es so kommen würde nach den Landtagswahlen. Es ist also so weit, Die CDU und die FDP/DVP bilden eine Koalitionsvereinbarung, und auch die Hochschulen werden von der Koalition nicht verschont. Schlagworte in der Vereinbarung sind:- Wettbewerb
- Wirtschaftlichkeit
- Leistung
Es ist sicherlich ein berechtigtes Anliegen, die Situation auch an der Hochschule zu verbessern, das Studium, die Verwaltung effizienter zu machen und auch den Unis "mehr Autonomie und Eigenverantwortung zu übertragen". Doch die Reduktion auf das eingleisige Optimieren auf Leistung hin wird zu einer Verminderung der Qualität führen.
Die Qualität des Studiums liegt überhaupt nicht im Blickfeld der Koalition. Als Leistungskriterium im Bereich der Lehre dient "die Zahl der Absolventen ... in den Regelstudienzeiten". Natürlich, wer das Studium auf eine Berufsausbildung reduziert, für den ist eben alle Wissenschaftlichkeit Balast, der zu entfernen ist: "Das Hochschulstudium ... sollte generell gestrafft und stärker als bisher auf das Berufsleben hin orientiert werden". Die Uni wird also zu einer Art besserer Fachhochschule, bzw. wozu sind diese dann überhaupt noch nötig? "Überflüssiges Spezialwissen sollte aus den Lehrplänen herausfallen; ..." Wer definiert eingentlich, was Spezialwissen ist? Die Politiker, Firmen, die Profs oder ist es vielleicht doch möglich, daß Studis und Profs vernünftige Verschläge vorbringen dürfen? Ist es eigentlich noch die Freiheit der Forschung, wenn Politiker mit Geld als Druckmittel einsetzen? "Die Vergabe von Stellen ... sollte ... leistungsbezogen und damit befristet ... sein". Die Unis sind also beständig vom Wohlwollen der PolitikerInnen abhängig und bei ihnen wird es am einfachsten sein, bei staatlichem Geldmangel die (befristeten) Stellen zu kürzen. Wo bleibt die Wissenschaft? Vermutlich beschränkt auf diejenigen, die den Ochsenmarathon der Prüfungen überleben oder es sich finanziell leisten können (geplant: "...jeweils nach zwei Semestern qualifizierte Leistungsnachweise ..."): sogenannte Bildungsgutscheine - welche aber besser Strafgebühr genannt werden sollten - die nach der Regelstudien- und Prüfungszeit "plus 4 Semester Toleranz" erworben werden müssen "zum Preis von 1000 DM pro Semester". Die Hochschulen werden damit geködert, daß ihnen die "Erträge ... zusätzlich zur Verfügung gestellt" werden. Wer es sich leisten kann, wechselt, wobei zu befürchten ist, daß es demnächst bundesweit Studiengebühren geben wird.
Die Koalition verabschiedet sich auch von dem Abitur als Hochschulzugangsberechtigung. 40% der Studierenden (bei Nicht-NC-Fächern) sollen die Hochschulen selber auswählen können anhand von "der Hochschule durchgeführten Auswahlverfahren unter dem Aspekt Eignung und Motivation ...", was dem Einstieg in den Ausstieg von der Anerkennung des Abiturs gleichkommt.
Auf die Unis werden dann auch Kürzungen zukommen, ganz im Sinne einer schlanken Uni. Die Unis müssen sich eben "auf ihre jeweiligen Stärken und wichtigsten Aufgaben konzentrieren und eingeständige Profile für ihre Zukunft ... bilden"., darin auch die Absicht, "bestimmte Studienangebote an einigen Standorten zu konzentrieren ...". Tja, die Möglichkeiten der Wissenschaft und der Interdisziplinarität wird damit leider nicht gerade gedient. Aber dafür hat man ja das Zauberwort der "virtuellen Hochschule". Wozu werden dann überhaupt noch die ganzen Standorte benötigt?
Noch vieles an der Koalitionsvereinbarung könnte kommentiert werden, darunter leiden werden viele: Studierende, die Wissenschaft, die Fakultäten vor allem diejenigen, die nicht sehr viele Drittmittel an Land ziehen und deren Ergebnisse sich nicht so einfach in Mark und Pfennig messen lassen. Daß manche Zustände an den Hochschulen reformbedürftig sind, ist offensichtlich, aber es bleibt zu hoffen, daß durch Proteste und vernünftige Modelle die Koalitionsregierung zu besseren Reformen findet.