Eulenspiegel Nr.1 im Wintersemester 95/96
Evaluation - Gedanken zur Fachschaft
Oliver "Fossy" Burgert
Revisionsdatum: Dezember 1995
Wie Ihr sicher wißt, findet derzeit eine Evaluation der Lehre in der Informatikfakultät statt. Dazu wurden an alle Studierenden Fragebögen per Email verschickt. Eine komplette Auswertung der Fragen kann ich Euch derzeit noch nicht präsentieren, aber ich habe alle Antworten mal nach dem Stichwort "Fachschaft" durchsucht. Zu den Fundstellen möchte ich gerne ein paar Kommentare abgeben. Ich würde mich freuen, wenn dadurch auch eine kleine Diskussion über den Sinn oder Unsinn der Fachschaft bzw. unserer Fachschaftsarbeit entstünde.
Zuerst einmal hat es mich sehr gefreut, daß die O-Phase mehrfach als (einziges) Glanzlicht im Studium genannt wurde. Das bestärkt uns natürlich darin, auch weiterhin die O-Phase in diesem Umfang durchzuführen.
Mehrfach wurde auf die Frage "32. Was würden Sie aus heutiger Sicht im Studium anders machen?" geantwortet, daß sich die entsprechenden Personen mehr engagieren würden, beispielsweise auch in der Fachschaft. Ich finde das natürlich sehr erfreulich, leider scheint diese Einsicht bei den entsprechenden Personen zu spät gekommen zu sein. Deshalb möchte ich Euch diese Bemerkung nicht vorenthalten. Vielleicht fühlt Ihr Euch ja berufen, etwas für Eure KommilitonInnen zu tun. Fachschaftsarbeit ist übrigens kein Full-Time Job! Es hilft sehr, wenn Ihr einfach mal vorbeikommt, um eine Klausur umzubrechen (vielen Dank, das hat dieses Semester sehr gut geklappt!), Klausuren zu legen oder ein Fest mit zu organisieren!
Sehr gefreut hat mich auch die Forderung nach organisatorischer Stärkung der Fachschaft. Da bin ich genau der selben Meinung. Eine wichtige Forderung ist eine Verbesserung des Professoren- / Studierenden-Verhältnisses in den Fakultäts- und Universitäts-gremien. Im Fakultätsrat sitzen z.B. 11 Profs, 3 wissenschaftliche Mitarbeiter, 1 Mitglied von Verwaltung und Technik und 3 Studierende. In anderen Gremien wie den Berufungskommissionen sieht das sogar noch schlechter aus! Das ist auch der Grund dafür, daß auf jeder Publikation der Fachschaft der Satz "Für die Wiedereinführung der echten verfaßten Studierendenschaft" steht.
Nach diesen ganzen positiven Äußerungen nun zu den negativen. Insgesamt gab es zwar nur drei kritische Äußerungen (also weniger als 1%), aber eventuell haben diese beiden Personen ja ausgedrückt, was viele von Euch denken.
Aussage 1: "Die Probleme die bei den Studierenden auftreten sind insbesondere der Fachschaft bekannt, dort ist mehr Kommunikation angebracht"
Das kann ich so nicht ganz stehen lassen. Die FachschafterInnen kennen nur die Probleme der Studierenden aus deren direktem Umfeld. Da derzeit alle Fachschaffenden ihr Vordiplom bereits abgelegt haben, bekommen wir von alleine nichts von den Problemen der Studierenden im Vordiplom mit. Wir sind also sehr stark darauf angewiesen, von Euch etwas über Eure konkrete Studiensituation zu erfahren. Nur dann können wir etwas unternehmen. Prinzipiell versuchen wir dann erstmal Eure Bemühungen zu unterstützen. Erst wenn das nicht fruchtet, werden wir verstärkt aktiv. Der Kommunikationsfluß in die andere Richtung muß natürlich auch von Eurer Seite unterstützt werden! Seit diesem Semester bietet die Fachschaft Info Donnerstags ab 9.45 Uhr ein Fachschaftsfrühstück an. So etwas gibt es übrigens auch in der Mathe-FS (Mi. ab 11.15). Das ist eine gute Gelegenheit, in zwangloser Atmosphäre den neusten Fakultätsklatsch zu erfahren. Auch die Fachschaftsbretter im Keller des Informatikgebäudes sind einen Blick wert. Dort hängt beispielsweise immer der neuste Entwurf der neuen PO. Selbstverständlich seid Ihr auch alle eingeladen, bei der Sitzung des Fachschaftsrates zuzuhören und mitzureden. Die Sitzungen sind immer Mittwochs um 18.30 im Rechenzentrum, Raum 062. Vorlesungsansagen können wir leider nur sehr selten machen, da so etwas immer sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Ihr müßt Euch um Eure Informationen also zumindest etwas selber kümmern. Für Vorschläge sind wir natürlich jederzeit zu haben!
Aussage 2: "Die Fachschaft muß ihr INSIDER-Image loswerden, sodaß jeder Studi die Möglichkeit hat, sich für die Allgemeinheit zu betätigen, ohne gleich den Ruf eines Fachschaftlers zu haben."
Wenn wir ein Insider-Image haben, tut mir das leid. Wir bemühen uns, alle, die etwas für Ihre KommilitonInnen machen wollen, zu unterstützen. (Wenn diese Ansicht eine grobe Selbsttäuschung sein sollte, gebt mir bitte Bescheid!) Dazu muß man nicht sofort voll bei der sonstigen Fachschaftsarbeit einsteigen. Wir freuen uns auch über FestorganisatorInnen oder über Leute, die spezielle Veranstaltungen (Sport, Diskussionsrunden, Seminare, Spieletreffs) für InformatikerInnen organisieren wollen. Wir stellen hierzu auch gerne die nötige Infrastruktur (Telefon, Post, Kontakte, Werbung, ... ) zur Verfügung. Allerdings besteht dann natürlich die Gefahr, mit der Fachschaft in Verbindung gebracht zu werden. Allerdings hoffe ich, daß der Ruf eines Fachschaftlers nicht der allerschlechteste ist...
Aussage 3: "Sechstens: Wahlpflicht zur Fachschaft, damit das linke Gesockse endlich mal durch echt demokratische Strukturen ersetzt wird. (Verzeihung!)
Achtens: Eine Fachschaftszeitung, in der die ganze Fakultät veröffentlicht, nicht nur die (linksliberalen) Fachschafter."
Der Autor/die Autorin spricht mir aus der Seele! Eine Wahlpflicht läßt sich leider nur schwer durchsetzen. Selbst bei der Bundestagswahl, bei der ja jedeR die Wahlunterlagen ins Haus geschickt bekommt und bei der es die Möglichkeit der Briefwahl gibt ist die Wahlbeteiligung relativ gering. Abgesehen davon haben wir bei den Wahlen zu den unabhängigen Gremien eine Wahlbeteiligung von etwa 30 %. Damit liegen wir in der gesamten Uni an der Spitze. Wenn man von den 70 % Nichtwählenden noch die abzieht, die einfach in der Zeit nicht an einer Urne vorbeigekommen sind, ist die Wahlbeteiligung der Anwesenden sehr hoch! Das die Fachschaft trotzdem aus "linkem Gesocks" besteht, scheint sich in diesem Fall wohl mit der Interessenslage der Studierenden zu decken. Es ist auch niemand daran gehindert, sich bei der Wahl zu den unabhängigen Gremien zur Wahl aufstellen zu lassen. Die politische Weltanschauung spielt hierbei keine Rolle! Ich glaube auch nicht, daß wir ideologisch so verhärtet sind, daß wir vernünftigen Argumenten nicht zugänglich wären. Eine Fachschaft darf gerne das gesamte politische Spektrum umfassen. Wir freuen uns auch über Leute, die nicht dem "linkem Gesocks" zuzurechnen sind. Zu den "echten demokratischen Strukturen" möchte ich nochmal auf die Sitzverteilung in den offiziellen Gremien hinweisen... Für unsere Fachschaftszeitung gilt natürlich das gleiche: Wir veröffentlichen jeden namentlich gekennzeichneten Artikel der an uns gesandt wurde. Ausnahmen sind Artikel mit menschenverachtendem Inhalt. Ansonsten: SCHREIBT!
Wie schon in der Einleitung erwähnt würde ich mich sehr über Reaktionen auf diesen Artikel freuen. Ich hoffe auf eine rege Diskussion.