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5 Jahre Studium - 40 Jahre Berufstätigkeit
Datum: Februar 1998
Die Überschrift sagt es schon: Von der Zeit zwischen Abitur und Ruhestand
verbringt eine akademisch ausgebildete Persönlichkeit nur wenig mehr als
10% an der Universität (so sieht es jedenfalls die Prüfungsordnung!).
Diese Zeit muß also dazu herhalten, dem oder der Studierenden all das
Rüstzeug mit auf den Weg zu geben, mit dem er oder sie sich in den
restlichen fast 90% des Arbeitslebens behaupten kann.
Alle Fachleute sind sich einig: "Behaupten" heißt in Zukunft etwas anderes
als das, was man aus dem Elternhaus erfahren hat. Wissen wird immer
umfangreicher und kurzlebiger - also muß man sich auf häufigen Wechsel der
Arbeitsrichtung, kontinuierliche Weiterbildung und ein abnehmendes Gewicht
der gesammelten Erfahrungen einstellen. Staatliche Dienstleistungen
werden, soweit sie nicht den hoheitlichen Bereich betreffen, immer mehr in
den privaten Bereich abwandern und damit den Gesetzen des Marktes
unterliegen - die sicher kalkulierbare Altersversorgung wird der
Vergangenheit angehören. Großunternehmen zerlegen sich in kleinere
Einheiten, die nur überleben, wenn sie Innovationskraft mit Markt- und
Kundenorientierung verbinden und wenn sie dem Kostendruck einer globalen
Wirtschaft widerstehen - Arbeitsplätze werden nicht nur unsicherer werden,
ein häufiger Wechsel des Arbeitgebers ist unausweichlich. Dieselben
Fachleute sehen sogar voraus, daß der Berufstätige - und das gilt gerade
auch für Universitätsabsolventen - künftig zwischen drei Phasen laufend
wechseln wird: Unselbständiger Mitarbeiter eines Unternehmens,
freiberufliche Tätigkeit in Unabhängigkeit oder im Werkvertragsverhältnis,
Arbeitssuche.
Bereitet nun die universitäre Ausbildung ihre Studierenden auf diese
veränderte Berufswelt vor? Man liest genügend pauschale Urteile, die diese
Frage verneinen. Ich behaupte: Die
Karlsruher Informatik ist da gar nicht
so schlecht, und ich will das begründen.
- Wie alle Studiengänge in den Natur- und Ingenieurwissenschaften sieht die
Karlsruher Informatik ein wesentliches Ziel des Hauptstudiums darin, "das
Lernen zu lernen", indem es den Studierenden die Möglichkeit gibt, sich
exemplarisch in Vertiefungsfächer ihrer Wahl einzuarbeiten. Wir weisen bei
Beratungen stets darauf hin, daß man sein Vertiefungsfach nach Neigung und
nicht zwanghaft unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsschwerpunktes einer
nachfolgenden Berufstätigkeit wählen sollte - selbst wenn der Eintritt in
den Beruf noch damit begänne, so dürfte man schon nach wenigen Jahren das
Gebiet gewechselt haben.
- Nun sind die Berufsjahre nicht allein durch fachliche Kompetenz geprägt.
Gefordert wird vielmehr auch die sog. "soziale Kompetenz". Umgang mit
Kollegen, Vorgesetzten, Untergebenen, Kunden, Konkurrenten muß gelernt
sein. Zielorientierung, Standfestigkeit, Einfühlungsvermögen und die Kunst
des Kompromisses müssen entwickelt werden. Denken in Wirtschaftlichkeit,
Kosten, Nutzen muß geübt werden. Vertragstreue, Projektmanagement, Zeit-
und Finanzplanung sollen beherrscht werden. Manche Universitäten
vermitteln erste soziale Kompetenz über sog. Projektsstudien. Ich meine,
daß viele Institute der Universität und das Umfeld der Universität auch so
genügende und vielleicht sogar bessere Möglichkeiten für die Entwicklung
einer sozialen Kompetenz bieten. Zahlreiche Institute der Fakultät und
benachbarter Fakultäten bieten über größere Projekte Diplomanden,
Studienerarbeitern und studentischen Hilfskräften Gelegenheit, Teamarbeit,
Projektplanung, Termintreue und Projektmanagement kennenzulernen. Noch
stärker gilt das für einige der Forschungseinrichtungen im Umfeld, die
intensiv mit der Wirtschaft zusammenarbeiten und Projekte unter
industriellen Randbedingungen durchführen, so etwa das
Forschungszentrum Informatik (FZI),
das Fraunhofer-Institut für Informations- und
Datenverarbeitung (IITB) oder das
Forschungszentrum Karlsruhe (FZK). Und
schließlich wimmelt es im Umfeld von technologisch orientierten
Jungunternehmen, die von der Mitwirkung studentischer Mitarbeiter leben.
Flankierend kann man sich noch einschlägiges Wissen aneignen, indem man
die neuen, von Industriepraktikern angebotenen Blockveranstaltungen zu
"Projektmanagement" und "Vertrieb" besucht.
- Globalisierung der Märkte bedeutet auch, daß man sich während seiner
Berufstätigkeit häufig im Ausland wiederfindet oder Kunden und Partnern
aus dem Ausland gegenübersitzt. Oft hat man es da wirklich mit "fremden
Welten" zu tun - andere Denkweise, anderer kultureller, sozialer und
geschichtlicher Hintergrund machen das Kommunizieren schwer und verlangen
nach Einfühlungsvermögen. Auch diese Fähigkeiten sollte man frühzeitig
entwickeln. Ein Jahr Studienaufenthalt im Ausland kann da Wunder bewirken.
Die Fakultät hat inzwischen vielfältige Verbindungen aufgebaut und
beteiligt sich an zahlreichen Austauschprogrammen. Auch die Anerkennung
der an der Gasthochschule erbrachten Prüfungsleistungen macht kaum
Schwierigkeiten und schon garnicht, wenn man sich mit den einschlägigen
Professoren der Fakultät vorab abgesprochen hat und danach die Verbindung
über elektronische Post hält.
- Wenn schon freiberufliche Tätigkeit, warum dann nicht gleich unter die
Unternehmensgründer gehen? Derzeit wimmelt es von Veranstaltungen - auch
an unserer Universität -, sind doch Existenzgründungen zum Lieblingsthema
der Politiker geworden. Aber da sind doch einige Vorbedingungen zu
erfüllen. Zunächst: Eignet man sich überhaupt zum Unternehmer? Das kann
man über einen Test herausfinden. Habe ich eine tragfähige Geschäftsidee,
und ist ein hinreichender Markt dafür vorhanden? Fachleute können da im
Gespräch weiterhelfen. Wieviel Geld muß ich zunächst aufbringen, und wann
erziele ich die ersten Einnahmen, wie lange ist die finanzielle
Durststrecke? Dazu muß ein Geschäftsplan aufgestellt werden, und wie man
das tut, kann man über Kurse erlernen oder per Beratung von Fachleuten
erfahren. Und woher kommt dann schließlich das notwendige Anfangskapital?
Trotz aller Negativschlagzeilen - es ist durchaus Geld vorhanden, aber man
braucht sicherlich Gönner und Helfer, und die kann man durch Vermittlung
ausfindig machen. Eigentlich braucht man nur eines: Mut! Für alles andere
hat sich in Karlsruhe ein gemeinnütziger Verein mit Namen
"Cyberforum"
gebildet, übrigens als maßgeblich von der lokalen Wirtschaft getragene
Privatinitiative. Ein Blick ins Web genügt!
Warum ich das alles schreibe? Professoren haben die Aufgabe, die ihnen
anvertrauten Studierenden auf ihren beruflichen Lebensweg - wie sagten wir
eingangs: 40 Jahre! - vorzubereiten. Dazu gehört eben nicht nur die
Vermittlung von Fachwissen und dessen Weiterentwicklung über
Forschungsaktivitäten, sondern auch die Vermittlung der anderen
erforderlichen Kompetenzen oder zumindest die aktive Mitwirkung bei der
Schaffung eines Umfelds, das diese Kompetenzen vermitteln kann. Und dann
muß man natürlich auch noch aktiv für die geschaffenen Möglichkeiten
werben - sich sozusagen an die Studierenden als Kunden wenden. Und das
geschieht hiermit!
Ich hoffe, man nimmt mir nun ab: So schlecht sind wir in Karlsruhe
wirklich nicht! Das soll aber nicht heißen, daß wir nicht noch besser
werden können. Wäre es nicht eine gute Gelegenheit, den
"Eulenspiegel" als Forum dafür zu nutzen, wie dies aussehen könnte?
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